Wer feiert heut' kein Schtzenfest? 11FREUNDE

Publish date: 2024-11-27

Lukas Podolski, Mit­chell Weiser, Flo­rian Wirtz oder Yan­nick Ger­hardt: Die Liste von eins­tigen FC-Spie­lern, die woan­ders ihr Glück fanden und zu einem spä­teren Zeit­punkt ihrer Kar­riere gegen den FC trafen, ist lang.

Und so wäre es wenig ver­wun­der­lich gewesen, wenn ich auch am 8. Spieltag der aktu­ellen Bun­des­liga-Saison mit einem mul­migen Gefühl den Weg nach Mün­gers­dorf ange­treten hätte. Mit Salih Özcan kam wieder ein Eigen­ge­wächs zurück nach Köln, mit Anthony Modeste der Tor­jäger und Publi­kums­lieb­ling der ver­gan­genen Saison. Und glaubt man daran, dass sich Geschichte wie­der­holt, dann wäre ein Dort­munder Sieg, inklu­sive Modeste-Tor, nur die logi­sche Kon­se­quenz gewesen. 

Heute zeigen wir es denen!“

Doch am 1. Oktober 2022 haben meine Kum­pels und ich ein anderes Gefühl, ein weitaus eupho­ri­scheres, als wir uns auf unseren 30-minü­tigen Bier­spa­zier­gang zum Sta­dion auf­ma­chen. Unser Ver­trauen in die Mann­schaft und den Trainer, aus den Abgängen zweier prä­gender Figuren der so uner­wartet erfolg­rei­chen Vor­saison, eine unge­heure Moti­va­tion und Wil­lens­kraft zu ziehen, ist groß. Wir sind uns sicher: Heute zeigen wir es denen!“ 

Schon die ganze Woche gibt es kein anderes Thema in der Stadt. Die Emo­tionen, die die Wechsel von Özcan und ins­be­son­dere Modeste aus­lösen, rei­chen von Ver­ständnis bis hin zu tiefer Abnei­gung und Hass. Und so gehen auch meine Kum­pels und ich mit einer emo­tio­nalen Anspan­nung zum Spiel, die wir sonst nur von Derbys gegen Borussia Mön­chen­glad­bach kennen. Eigent­lich ver­rückt, so sind die Spiele gegen den BVB auf Grund von Bezie­hungen inner­halb der aktiven Fan­szenen der beiden Klubs in letzter Zeit doch eher von freund­schaft­li­chem Cha­rakter geprägt.

Unser Wohn­zimmer! Unser Sta­dion!“

Doch an diesem Nach­mittag in Mün­gers­dorf ist alles anders. Wir stehen schon weit vor Anpfiff auf unseren Plätzen in der Süd­kurve und bekommen so mit, wie das Sta­dion schon beim Warm-Up der beiden Teams bro­delt. So ver­wun­dert es kaum, dass Steffen Baum­gart nicht viel sagen muss, um seine Mann­schaft zu moti­vieren, was die Sai­son­do­ku­men­ta­tion 24÷7 FC“ belegt: Zwei Jungs von denen sind letztes Jahr mit uns einen guten Weg gegangen. Die haben uns ver­lassen! Unser Wohn­zimmer! Unser Sta­dion!“

Zur Halb­zeit steht es 0:1. Julian Brandt bringt den BVB sehens­wert in Füh­rung, dem FC fehlt vor dem Tor noch die nötige Ruhe. Anthony Modeste wird bei jedem Ball­kon­takt aus­ge­pfiffen, auch wenn es nicht viele sind. Schnell merkt man, dass die beiden Innen­ver­tei­diger Timo Hübers und Luca Kilian auf ihrer ganz eigenen Mis­sion sind: Hier und heute trifft Modeste nicht! Nachdem wir in der Halb­zeit­pause eine akute Unter­hop­fung ver­hin­dern können, kommen wir mit Anpfiff der zweiten Halb­zeit zur Pau­sen­ana­lyse: Wir drehen das Ding!“.

Come­back-Könige vom Geiß­bock­heim

Denn wenn die Mann­schaft unter der Lei­tung von Steffen Baum­gart etwas schon häufig genug bewiesen hat, dann dass sie Rück­stände umbiegen kann. So sind wir wenig über­rascht, dass unsere Mann­schaft nach Wie­der­an­pfiff mit einer unglaub­li­chen Inten­sität auf das Dort­munder Tor stürmt. Immer wieder rollen die Angriffe auf den Kasten vor der Süd­kurve zu. In der 53. Minute ist es dann Jonas Hector, der im linken Halb­feld erst an Julian Brandt und Thomas Meu­nier vorbei geht und anschlie­ßend einen per­fekten Pass in den Lauf von Linton Maina spielt. Dessen Rück­gabe von der Grund­linie knallt Flo­rian Kainz ins Tor, dahinter droht die Süd­kurve, zum ersten Mal an diesem Nach­mittag von der Last einer sprin­genden Men­schen­masse erdrückt zu werden.

Als wir gerade dabei sind, das Tor zu ana­ly­sieren und fest­zu­stellen, dass es ein typi­sches FC-Tor“ ist, rollt vor unseren Augen der nächste Angriff. Ecke. Tor. Schon wieder drin! Steffen Tigges köpft in Modeste-Manier ein. Ich ver­sinke in einer Jubel­traube, umarme fremde Men­schen und bin auf der Suche nach meinen Leuten. Ist das gerade wirk­lich pas­siert? Inner­halb von drei Minuten haben wir das Spiel gedreht. Als wir unsere Gruppe wieder halb­wegs bei­sammen haben und Sta­di­on­spre­cher Michael Trippel den Tor­schützen ver­kündet, ist die Stim­mung im Sta­dion end­gültig auf dem Gipfel. Tor­schütze ist mit der Nummer 21 Stef­feeeen“ Tiiii­ig­geeeeees“ schallt es durch Mün­gers­dorf, in einer Laut­stärke, wie man sie selbst als Dau­er­karten-Inhaber selten erlebt. Modeste steht zeit­gleich bedröp­pelt am Mit­tel­kreis. Eine Genug­tuung für jede gekränkte köl­sche Fan­seele.

Wen­dung der Geschichte

Dejan Lju­bicic macht sogar noch das 3:1, ehe Benno Schmitz eine Flanke unhaltbar ins eigene Tor abfälscht. Dar­aufhin folgen die Zitter-Minuten, die jeder Fuß­ball-Fan nur zu gut kennt. Auch wenn der BVB nicht viele Chancen hat, ist es ein stän­diges Bangen. Modeste oder ein anderer Dort­munder könnten ja doch noch treffen. Als Modeste dann bei seiner ein­zigen rich­tigen Tor­chance in unmit­tel­barer Tor­nähe an den Ball kommt, dessen Schuss aber von dem ehe­ma­ligen Dort­munder Luca Kilian geblockt wird, jubelt nicht nur der Innen­ver­tei­diger so als ob er gerade ein Tor geschossen hätte. 

Denn in diesem Moment wird wohl nicht nur Kilian klar, dass sich diese end­lose Geschichte mit den ehe­ma­ligen FC-Spie­lern in diesem Spiel ändern wird. Das Schicksal dreht sich. Heute trifft kein Modeste, auch kein Salih Özcan. Heute trifft Steffen Tigges. Der Mann, den wir aus der zweiten Mann­schaft von Borussia Dort­mund geholt haben, und der bis zu diesem Spiel noch kein ein­ziges Liga-Tor für den FC gemacht hat. Aus­ge­rechnet Tigges!“, sage ich zu meinen Kum­pels. Ungläubig schüt­teln wir nach Abpfiff den Kopf und lachen über die Ironie des Schick­sals. Dabei haben wir es doch eigent­lich schon auf dem Spa­zier­gang zum Sta­dion gewusst.

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