Die Ebbe-Sand-Offenbarung 11FREUNDE
Auch Norbert Dickel hatte Ebbe Sand offenbar schon vergessen. „Altintop jetzt am Ball, legt auf. Auf… Wer ist das?“, rätselte der Kommentator des BVB-Netradios an seinem Mikrofon. Man muss Dickel zugutehalten, dass der Name des Dänen sich zuvor nun wirklich nicht aufgedrängt hatte. Mehr als neun Monate lang war der Torschützenkönig von 2001 in der Bundesliga ohne Treffer geblieben. Doch an diesem Abend des 30. Januar 2004 im Dortmunder Westfalenstadion war es damit vorbei: Als hätte er das Wort „Ladehemmungen“ noch nie gehört, lupfte Sand den Ball elegant über Guillaume Warmuz und stand nur wenige Augenblicke später mit Freudentränen in den Augen am ARD-Mikrofon und stammelte etwas, das nach „Erleichterung“ klang. Er war wieder da! Und auch Nobby Dickel dämmerte es langsam: „Ebbe Sand und der schießt das 1:0 in der 89. Minute. Ich werd’ verrückt. Das kann doch nicht wahr sein. […] So. Ein. Scheiß.“
Noch eingängiger sind jedoch die Worte, die Dickels Kommentatorenkollege Boris Rupert an diesem Abend verlor. Verantwortlich dafür war jedoch nicht die Ebbe-Sand-Offenbarung, sondern Frank Rost. Der Schalker Torhüter hielt bei diesem Schlager zum Rückrundenauftakt nämlich gleich zwei Elfmeter, einen von Jan Koller und einen von Torsten Frings. Und das sorgte bei Rupert für ziemliche Fassungslosigkeit, die er anders als der konsternierte Dickel inbrünstig aus sich herausschrie: „Das gibt es doch gar nicht! Das darf doch nicht wahr sein! […] Das geht nicht mehr.“ Mit seinem Ausbruch dominierte Rupert anschließend wochenlang die sogenannten „O‑Ton-Charts“, eine Sammlung witziger Fernseh- und Radio-Schnipsel des WDR-Jugendsenders 1 Live.
Inhalt aus Datenschutzgründen blockiert
Ausnahmsweise anzeigen(Bei Anzeige erfolgt möglicherweise Tracking durch Drittanbieter)
„In diesem Jahr werden in Dortmund die ersten Kinder eingeschult, die noch nie einen Sieg gegen Schalke erlebt haben.“
Stichwort Dominanz: Für die Schalker bedeutete der späte 1:0‑Sieg nur eine weitere Festigung der damals herrschenden Machtverhältnisse im Ruhrgebiet: Seit dem 5. Mai 1999 war Königsblau gegen Schwarz-Gelb ungeschlagen. Am Tag nach den Heldentaten von Ebbe Sand und Frank Rost feierten die Schalke 1904 Tage ohne Derby-Niederlage. Von Radioreporter-Legende Manni Breuckmann sind die Worte überliefert: „In diesem Jahr werden in Dortmund die ersten Kinder eingeschult, die noch nie einen Sieg gegen Schalke erlebt haben.“
Was natürlich insofern Quatsch ist, als die meisten Kinder die Ereignisse vor ihrer Schulzeit nicht allzu bewusst erleben, auch keine Derbysiege. Ein Junge hingegen, der im Jahr 1999 eingeschult worden ist, erinnert sich sehr gut an diese knapp fünf Jahre königsblauer Regentschaft im Ruhrgebiet. Auch daran, wie er am Abend des 30. Januar 2004 eingemuckelt in eine Schalke-Bettdecke vor dem Fernseher saß und die feuchten Augen von Ebbe Sand in der Sportschau sah.

Und manchmal, wenn ihm bewusst wird, dass sich die Verhältnisse von damals nun umgekehrt haben und die Dortmunder nun schon seit fast sechs Jahren im Derby ungeschlagen sind, dann sucht er im Internet nach den Stichworten „Ebbe Sand“, „Frank Rost“ und „BVB Netradio“.
ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWeUnrJuscGbnGarkaOxbrvFn5ynmpGnwq%2BzjnFobGhjZ34%3D